European Interreligious Forum For Religious Freedom

Muslim äußert sich besorgt über den Bericht eines französischen Parlamentariers zum Thema „Sekten“ gegenüber der Präsidentin der PACE.


Written the Thursday, March 27th 2014 à 12:13
EIFRF




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Der Vorsitzende der Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime & Freunde des Islam Berlin e.V. schickte jetzt ein Schreiben an die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Frau Anne Brasseur, um sie auf den Bericht mit dem Titel „Der Schutz von Minderjährigen vor dem Missbrauch durch Sekten“, verfasst von dem Franzosen Rudy Salles, aufmerksam zu machen. Diesen wertet er als diskriminierenden Vorstoß gegenüber religiösen Minderheiten, die hier abschätzig als „Sekten“ klassifiziert werden. Ein solches Vorgehen gefährde nicht nur massiv die Interessen des Kindes, sondern das Recht auf Freiheit der Religion und Überzeugung von Kindern und Eltern gleichermaßen.


Muslim äußert sich besorgt über den Bericht eines französischen Parlamentariers zum Thema „Sekten“ gegenüber der Präsidentin der PACE.

Frau Anne Brasseur
Präsident der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates
Avenue de l'Europe
67075 Strasbourg Cedex
Frankreich
 

Berlin, 22. März 2014


Sehr geehrte Frau Präsidentin Brasseur,
 

im Namen der "Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime & Freunde des Islam Berlin e.V." möchte ich meiner großen Besorgnis über den Bericht, der Resolution und Empfehlung von Herrn Rudy Salles zum „Schutz von Minderjährigen vor Exzessen der Sekten" Ausdruck verleihen, über die am 10. April 2014 in Straßburg während der Plenarsitzung abgestimmt werden soll.
 
Wir glauben, dass dieser Bericht nicht den Grundprinzipien des Europarates entspricht und daher an den Ausschuss zur weiteren Prüfung zurückverwiesen werden sollte, um sicherzustellen, dass er im Einklang mit den bestehenden internationalen Gesetzen zum Schutz der Menschenrechte ist.

Wir sind der Überzeugung, dass der Schutz vor Kindesmissbrauch überaus wertvoll ist und gefördert werden muss, nicht nur in jeder Religionsgemeinschaft, sondern auch an jedem Ort in Europa und im Ausland.

Leider geht es in diesem Bericht offensichtlich nicht um den Schutz von Kindern, sondern darum, Mitglieder religiöser Minderheiten in Europa unter Generalverdacht zu stellen, ohne dass irgendwelche Beweise dafür vorgelegt worden wären, dass Kinder in religiösen Minderheiten eher Opfer von Kindesmissbrauch würden als Kinder in jeder anderen gesellschaftlich anerkannten Gruppe, inklusive der anerkannten Religionen.
 
Es ist ebenfalls offensichtlich, dass die Auswirkungen der Resolution, falls sie befürwortet und in die Tat umgesetzt wird, jede Form der Diskriminierung gegenüber religiösen Minderheiten in Europa rechtfertigen würde, und das Recht der Eltern auf die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen aushebeln wird, sobald diese Eltern einer religiösen Gemeinschaften angehörten, die als "Sekte" gebrandmarkt ist. Dies würde nicht im besten Interesse des Kindes geschehen, sondern es bekäme ausschließlich eine Angelegenheit der Religionszugehörigkeit.
 
Das Wort "Sekte" hat keine rechtliche Definition , wie es in dem Bericht heißt, und sollte nicht verwendet werden, da bereits eine große Anzahl internationaler Menschenrechtsorganisationen, darunter auch der Europarat selbst, darauf hingewiesen haben, dass die Verwendung dieses Wort diskriminierend und deshalb unangebracht in einer ernsthaften Ausarbeitung ist.

Der Bericht ist sehr einseitig und ihre Primärquellen sind die international diskreditierten Organisationen MIVILUDES und FECRIS. FECRIS verbreitet seit langer Zeit Gerüchte und Hetztiraden gegen religiöse Überzeugungen in ganz Europa, manchmal in Verbindung mit anerkannten Religionen, manchmal um religiöse Minderheiten gezielt anzugreifen.

Vizepräsident von FECRIS, Herr Alexander Dworkin, hielt vor kurzem Vorträge über den Islam mit mehreren feindseligen und falschen Aussagen über den Koran und den Propheten Mohammed. Er ist russischer Staatsbürger, der aktiv in der Russisch-Orthodoxen Kirche engagiert ist. Im März 1992 wurde er von der Abteilung für religiöse Bildung und Katechismus des Moskauer Patriarchats engagiert, um das Problem der sich ausbreitenden "Sekten" in Russland zu adressieren. Er rief im Jahr 1993 mit dem Segen des Patriarchen von Moskau und ganz Russland, Alexi II, den FECRIS-Mitgliedsverband in Russland ins Leben, das St. Irenäus von Lyons Religious Studies Research Centre und wurde dessen Direktor, um sich mit neuen religiösen Bewegungen, Sekten und Kulten zu befassen.
 
Angesichts dieser Ermächtigung, die exklusive Rechtmäßigkeit der Mainstream-Religion in Russland, der orthodoxen Kirche, zu verteidigen, und durch seine Position an der Spitze FECRIS unterstützt, hat Herr Dworkin aktiv daran mitgewirkt, Hetztiraden gegen die verschiedenen religiösen Minderheiten in Russland zu verbreiten.

In den letzten Jahren hat die Diskussion über Muslime in Europa zugenommen, und viele Politiker drängten auf Dialog und Integration zu diesem Thema. Gegenstimmen hingegen haben Muslime als Extremisten etikettiert, als eine Art Sekte, die Menschenrechte verletzt – den Argumenten der jetzigen Resolution sehr ähnlich. Deshalb befürchte ich, dass dieses Dokument von Anti-Muslimischen-Bewegungen dankbar entgegengenommen wird, um den Hass gegen religiöse Minderheiten weiter zu befeuern. Es wird exakt jene Anstrengungen von Politikern sabotieren, die den Dialog und die Integration unterstützen.
 
Als Repräsentant der deutschsprachigen Muslime in meinem Land möchte ich Sie daher dringend bitten, dies zu berücksichtigen.
  
Die Resolution und Empfehlung, ebenso wie der Bericht selbst, enthalten viele andere Verletzungen grundlegender Menschenrechte. Zu viele, um sie in diesem Schreiben aufzulisten. Die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, welches nicht in Konflikt mit dem Wohl der Kinder sein sollte. Wenn ein solch diskriminierender Ansatz zugelassen wird, wie es derzeit in Frankreich und in einigen anderen Ländern der Fall ist, indem man einige religiöse Minderheiten abschätzig als "Sekten" klassifiziert, werden die Interessen des Kindes, sowie das Recht auf Freiheit der Religion und Überzeugung von Kindern und Eltern, stark gefährdet. 

Aus diesem Grund möchte ich Sie höflich bitten, diesen Bericht an das Komitee für rechtliche Angelegenheiten und Menschenrechte zurückzuverweisen.
 
Ich danke Ihnen. 

Mit freundlichen Grüßen



Amir Dr. h.c. Mohammed Herzog
 



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